Es hat viel mit Taktik zu tun. Machen wir die blaue Linie zu, oder gehen wir voll rein?
Er hält den Puck im Netz
Reto Ulrich war 14 Jahre lang ZSC-Junior, heute steht er für die Lions virtuell im Goal: Er ist Teil des E-Sports-Teams, das in der höchsten Liga Europas spielt. Ein Besuch beim Onlineathleten.
Reto Ulrich erfüllt keine Gamer-Klischees. Auf dem Tisch, wo seine Playstation steht, sind weder Energydrinks noch Pizzaschachteln zu sehen. «Und nein, ich habe nicht extra aufgeräumt, bei mir sieht es immer so aus», sagt Ulrich und lacht. Der 29-Jährige spielt seit gut zwei Jahren auf höchstem Niveau virtuelles Eishockey.
Während eines Matchs muss er voll aufs Spiel konzentriert sein, denn vor allem auf seiner Goalie-Position geht es um blitzschnelle Reaktion. Trotzdem würde er keine aufputschenden Mittel nehmen. «Die Gesundheit ist mir wichtig. Ich will nach einem Spiel ins Bett liegen und schlafen können», sagt er.
Schliesslich muss er ja am folgenden Tag arbeiten gehen, denn momentan gibt es hierzulande in der E-Sports-Welt noch kaum Geld zu verdienen. Ulrich arbeitet Vollzeit in einem Kinderhort in Winterthur. Während der Saison spielt er zwei- bis dreimal in der Woche abends nach der Arbeit einen Match. Der Betrieb lässt ihn an Matchtagen eine Stunde früher Feierabend machen. «Meine Chefin meinte, sie habe zwar keine Ahnung, was E-Sports ist, aber sie unterstützt mich», so Ulrich.
Mit seinem Team ZSC Lions E-Sports gehört Ulrich zu den Top 16 in Europa. 2021 gelang der Mannschaft der Aufstieg in die höchste europäische Liga, die ECL Elite. Gespielt wird das Spiel «NHL» – jedes Teammitglied ist an seiner eigenen Playstation und per Headset mit den anderen verbunden. Was E-Sport vom normalen Gamen unterscheidet, ist das Publikum: Über die Plattform Twitch streamen jeweils beide Teams den Match für ihre Fans. Je nach Verfügbarkeit wird das Spiel der ZSC Lions E-Sports gar live kommentiert, dann führt der zweite Goalie Mike Müller mit professioneller Stimme durch das Spiel.
Stets ein Team mit Heimvorteil
Am gleichen Abend wird sowohl das Hin- als auch das Rückspiel ausgetragen. Das funktioniert, weil in der virtuellen Welt niemand reisen muss. Einen Heimvorteil gäbe es trotzdem, sagt Ulrich: «Wir wechseln nach dem ersten Match den Server. Die Gäste haben so jeweils ungefähr 15 Millisekunden Verzögerung.»
Auf diesem Niveau kann nicht mehr von Hobby gesprochen werden: «Viele können das nicht nachvollziehen, aber nach einer Stunde Spielen bin ich nudel-fertig», sagt Ulrich. Ein guter Eishockey-Gamer zeichnet sich nicht nur durch Schnelligkeit, sondern durch seine Kenntnis der Spielmechaniken am Controller und sein Gespür fürs Spiel aus. «Im weitesten Sinn ist es wie Schach», sagt Ulrich. «Es hat viel mit der Taktik zu tun. Machen wir die blaue Linie zu, oder gehen wir voll rein?»
Eine Schlüsselrolle hat dabei Ulrich, der mit seiner mentalen Stärke das Goal hütet. Dabei kommt ihm auch seine Zeit im Leistungssport zugute. Als Kind spielte er 14 Jahre lang für den ZSC auf «richtigem» Eis, bis in die zweithöchste Juniorenliga. Eine Knieoperation beendete 2012 seine Hoffnungen auf eine Karriere. Doch die zweite Knieoperation lancierte 2018 seine virtuelle Eishockey-Karriere. Während er nicht laufen konnte, feilte er an seinen «NHL»-Fähigkeiten und schloss sich bald dem Team «The Black Jacks» an, aus denen später das ZSC-E-Sports-Team werden sollte.
Wie kam es dazu? «Wir haben die ZSC Lions damals einfach angefragt», erinnert sich Ulrich. Seit Oktober 2019 tritt das Team, aktuell bestehend aus Schweizern und je einem Deutschen, Österreicher und Dänen, für den Zürcher Eishockeyverein auf und hat international viel Erfolg.
Starke Konkurrenz kommt in Europa vor allem aus Finnland und Schweden. Auch andere Schweizer Eishockeyclubs wie der EHC Biel haben mittlerweile ihre eigenen virtuellen Teams, doch die zweitbesten nach den Lions spielen in der dritten Liga. «Ich würde sagen, wir sind freundschaftlich miteinander verbunden – wir geben den anderen Teams auch mal Tipps», sagt Ulrich.
Während sich der E-Sport-Bereich professionalisiert, wächst auch seine Fanbase. Im Durchschnitt schauen mehr als 70 Leute gleichzeitig auf Twitch den Stream – und schon über 1200 Fans folgen dem Team auf Instagram.
Fans erkannten ihn im Stadion
Den typischen Fan kann Ulrich nicht wirklich beschreiben: «Da gibts alles von 17 bis 50 Jahren, und auf Instagram haben wir erstaunlich viele weibliche Fans.»Die Verbindung zum «richtigen» Eishockey liegt nahe, so ist Ulrich bereits bei einem Spiel der ZSC Lions im Hallenstadion erkannt worden. «Das kommt aber noch selten vor», sagt er.
Instagram: @zscesports
Zusehen: twitch.tv/zscesports
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